Sprungbrett für Stars: Wiener Kabarett Niedermair wird 40
Klein, aber oho: Mit gerade einmal 100 Plätzen gehört das Niedermair in Wien trotzdem zu den größten Kabarett-Institutionen des Landes – in seiner Bedeutung. Immerhin war es Sprungbrett von heutigen Kapazundern wie Josef Hader, Thomas Maurer oder Lisa Eckhart. Dieser Tage feiert die Kleinkunstbühne, die sich immer noch als Talenteschmiede versteht, ihren 40er mit einem viertägigen Festprogramm. Auf dem Erfolg ausruhen kann sich Leiter Andreas Fuderer trotzdem nicht.
„Es ist eine laufende Herausforderung, Jahr für Jahr ein Kampf, was die Finanzierbarkeit angeht. Es ist überhaupt kein Selbstläufer“, stellt Fuderer im APA-Gespräch klar. So sei die jährliche Subvention der Stadt in Höhe von rund 100.000 Euro seit den 1990ern nicht angehoben bzw. valorisiert worden. Dadurch seien die Hilfen im Lauf der Jahre real um mindestens ein Drittel, vielleicht sogar um die Hälfte gesunken, schätzt der Hausherr. Allerdings habe er nun eine Anpassung auf 120.000 Euro in Aussicht gestellt bekommen, berichtet Fuderer von einem traditionell guten Verhältnis mit der Stadtpolitik.
Zudem hat das Niedermair in der Corona-Zeit einmal 30.000, einmal 20.000 Euro Unterstützung bekommen. Dadurch habe man als Verein – eigentlich nicht erlaubte – Rücklagen bilden können, die auch nicht zurückgezahlt werden mussten. „Davon zehren wir immer noch.“ Die Teuerung macht der Spielstätte und damit auch seinem Chef nämlich das Leben nicht leichter. 2022 gab es ein Minus von 50.000 Euro, heuer prognostiziert Fuderer ein Delta von 25.000 Euro. Der Rücklagenpolster werde also kontinuierlich kleiner. „Es ist wieder einmal prekär. Aber wir schauen, wie weit wir kommen“, zeigt sich der Niedermair-Leiter gelassen pragmatisch. „Das ist 40 Jahre lang gutgegangen.“
Gegründet wurde die intime Kabarettbühne hinter dem bekannten Cafe Eiles im achten Bezirk von Nadja Niedermair. Die Eröffnung fand am 21. Oktober 1983 statt. Mit einer acht Quadratmeter großen Auftrittsfläche, Ikea-Bestuhlung und einem Toilettenweg direkt vorbei an der Bühne alles andere als pompös, waren Otto Grünmandl, Andreas Vitásek oder Kurt Weinzettl unter den ersten Künstlern, die hier auftraten. Bereits im Frühjahr 1984 fand das erste „Sprungbrett“ statt, eine Chance für den Kleinkunstnachwuchs, die u.a. Hader, Maurer oder die Truppe Schlabarett rund um Alfred Dorfer, Roland Düringer und Andrea Händler nutzten.
Nach einem großen Umbau Anfang der 1990er-Jahre drückte I Stangl dem Niedermair ein Jahrzehnt lang seinen Stempel auf, förderte Leute wie Gery Seidl, Thomas Stipsits oder Severin Groebner, baute die bis heute existierende Kindertheater-Schiene auf und übergab 2001 schließlich an Doris Ringseis. Seit 2004 sitzt Andreas Fuderer, der mit seinem Compagnon Fritz Aumayr seit 2011 auch den deutlich größeren Stadtsaal in Wien-Mariahilf betreibt, im Chefsessel.
„Die Branche ist vielfältiger und erfolgreicher geworden und bekommt mehr Aufmerksamkeit im gesamten deutschsprachigen Raum. Einen Teil dieser Entwicklung können wir auf unsere Fahnen heften“, meint Fuderer stolz. „Früher wurden die Spielpläne von zwei oder drei Handvoll Künstlern in ganz Österreich befüllt. Heute gibt es fast unüberschaubare Vielfalt.“ Dass sich das Genre damit selbst kannibalisiert, glaubt der Szenekenner nicht. Das verstärkte Angebot sei befruchtend, es werde mehr Kabarett konsumiert, das helfe allen.
Im heurigen Jahr wird das Niedermair auf eine Auslastung von rund 80 Prozent – und damit wieder auf das Niveau der Vor-Corona-Zeit – kommen, schätzt Fuderer. Was er aber bemerkt: Ältere Menschen seien immer noch zurückhaltender bei Kabarettbesuchen, während das junge Publikum stärker kommt als früher. Das liege nicht zuletzt an neuen Künstlerinnen und Künstlern, die während der Pandemie im Internet ihre Karriere gestartet haben und jetzt auch vor Publikum spielen wie beispielsweise Toxische Pommes. Hosea Ratschiller, Michael Bauer, Berni Wagner, Maria Muhar oder Malarina nennt Fuderer als weitere Beispiele für aufstrebende Talente. „Das Niedermair begleitet die Künstler eine Weile und schickt sie dann hinaus in die weite Welt.“ Mit dem mehr als 400 Menschen fassenden Stadtsaal gebe es da freilich „Synergieeffekte“.
Insofern sieht der Hausherr seine Bühne nach wie vor als Kleinkunst-Kaderschmiede. „Es wäre ja eine nostalgische, fast reaktionäre Herangehensweise, immer dieselben Künstler da zu haben“, meint Fuderer. Und der Nachwuchs klopft fleißig an die Niedermair-Tür. „Es gibt viele Anfragen“, wobei „von 20 ist vielleicht einer oder eine dabei, wo man das Gefühl hat, das ist interessant und spannend“. Die ständige Suche nach frischem guten Kabarett ist freilich aber auch Überlebensstrategie für das Haus. Denn große Namen sind nur noch schwer ins kleine Niedermair zu bekommen sind – und wenn, dann aus besonderer Verbundenheit, im Rahmen von Benefizevents oder zu festlichen Anlässen.
So einer steht nun unmittelbar bevor. Denn ab Mittwoch feiert das Niedermair seinen 40. Geburtstag mit einem Festprogramm. Bis Samstag steht je eine Dekade im Mittelpunkt des Abends – und dafür schauen die großen Stars der Zunft wieder einmal dort vorbei, wo sie eine ihrer ersten Bühnenschritte gemacht haben: Roland Düringer, Thomas Maurer, Andreas Vitásek, Klaus Eckel, Gunkl, Christoph & Lollo, RaDeschnig und Flüsterzweieck sind nur einige der Kabarett-Promis, die die Jubiläumsabende bestreiten.
Ob es das Niedermair in 40 Jahren auch noch geben wird? „Das liegt dann wirklich nicht mehr in meiner Hand“, schmunzelt Fuderer und fügt hinzu: „Es ist schon erstaunlich genug, dass es 40 Jahre gehalten hat.“ Es gelte jedenfalls kreativ zu bleiben, um in der Zukunft weiter bestehen zu können. „Man muss sich nach der Decke stecken – und die Decke im Niedermair ist bekanntlich nicht sehr hoch.“
(Das Gespräch führte Thomas Rieder/APA)
(S E R V I C E – Festprogramm „40 Jahre Niedermair“ von 11. bis 14. Oktober, jeweils 19.30 Uhr, )
(APA)
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