Rapper Monobrother kitzelt das "satirische Potenzial" heraus

Es ist eine bunte Ansammlung an Charakteren, die auf dem neuen Album des Wiener Rappers Monobrother auftaucht. Er hat es „Mir geht’s um die Menschen“ getauft und trifft damit den Nagel auf den Kopf: Egal ob rechte Umtriebe, die Untiefen des Internet oder egozentrische TV-Philosophen, hier menschelt es ziemlich. Ihm ging es darum, „das satirische Potenzial aus diesen Rollen rauszukitzeln“, meint Monobrother. Das umfasst sogar Universalkünstler André Heller als Battle-Rapper.

Vier Jahre sind seit dem hochgelobten Vorgänger „Solodarität“ vergangen. Eine ebenso angriffige wie vielseitige Platte, für die Monobrother ein knappes Jahr lang „die Früchte geerntet“ habe. Dann kam das Frühjahr 2020 und damit Corona. „Im Lockdown habe ich relativ schnell den Modus des Erntens verlassen und bin wieder ins Schreiben gekommen“, erzählt der Musiker im APA-Interview. „Es war einfach Zeit und Ruhe dafür.“ Wie aber den Nachfolger zu so einem Hit angehen? „Releast man nicht jedes Jahr, dann hat man automatisch den Anspruch, neue Türen aufzustoßen. Aber: Was wird das für eine Tür?“

Sei er auf „Solodarität“ vor allem stimmlich oft am Anschlag gewesen, ging Monobrother die Sache diesmal etwas ruhiger an. „Ich habe anfangs gemerkt, dass ich wieder stark in Befindlichkeitsthematiken reinrutsche. Das habe ich die letzten zehn oder fünfzehn Jahre aber schon durchgekaut.“ Letztlich waren es die Figuren in Stücken wie „Kreisverkehr“ oder „TV-Philosoph“, die die Veränderung möglich und notwendig machten. „Es gibt sehr viel Rollenprosa auf dem Album. Und als TV-Philosoph kannst du nicht bedingungslos herumschreien“, lacht Monobrother. „Durch diese Sprechpuppen, die ich mir angezogen habe, bin ich mehr auf die Figuren eingegangen.“

Herausgekommen sind dabei ungemein kurzweilige Tracks, die ob ihrer Vielschichtigkeit zum immer Wiederhören verleiten. Menschen wie Deix-Klischees und eine komplexe Welt werden in „Nach der Panik“ verhandelt, während in „Bros“ vorherrschende Männlichkeitsideale beinhart abgeklopft werden. In „The Bill Please“ wird der verwöhnten Wohlstandsgesellschaft der Urlaubsgenuss gehörig versalzen. All das passiert mit viel Gespür für das richtige Timing, einer ordentlichen Portion Wortwitz und dank Produzentenkollegen wie Fid Mella, Stixx oder Digga Mindz zu Beats, die vom klassischen Kopfnicker-Groove bis zu atmosphärischen 80er-Anleihen viel zulassen.

Ausgangspunkt und Inspiration waren Bücher, Online-Artikel und viele YouTube-Videos. Im Lockdown habe er einfach „viel konsumiert. Man findet die Zeit, sich drei oder vier Interviews von André Heller hintereinander anzuschauen oder sieben Konrad-Paul-Liessmann-Auftritte. Das sind so Figuren, die schon aufgelegt sind, dass sich der Rest von selber ergibt.“ In dem gemeinsam mit Rebecca von der Band Rolltreppe umgesetzten Track „Bibi und Mo“ wird wiederum dem heimischen „Tatort“-Gespann Bibi Fellner und Moritz Eisner ein augenzwinkerndes Denkmal gesetzt. Dabei sei er gar kein „Tatort“-Fan, so Monobrother. „Eher Fan von ‚Tatort‘-Fans, weil ich oft nicht nachvollziehen kann, warum man sich jeden Sonntag versammelt und diesen Schrott einverleibt“, lacht er. „Diese Fankultur hat etwas sehr kurioses.“

Der „André Heller Battle-Rap“ hingegen bringt die Nonchalance des Universalkünstlers gekonnt in ein neues Feld. Heller sei für ihn seit seiner Kindheit präsent gewesen, strich Monobrother etwa die Bedeutung des Albums „Heurige und gestrige Lieder“ hervor. „Durch seine Erhabenheit und seine Sprachkunst eignet er sich perfekt, um ihn als Rapper zu inszenieren. Eigentlich ist er der Prototyp eines Battle-Rappers. Alle sind der Boss oder der Imperator, mieten sich Pferde und setzen sich drauf. André Heller hat diesen Boss-Touch halt irgendwie von Grund auf.“ Die Nummer sei „eine Ode und kein Abgesang“.

Letztlich ist es diese Dualität, die „Mir geht’s um die Menschen“ ausmacht: Einerseits wird mit an Karikaturen grenzenden Figuren hantiert, andererseits sind es durchaus ernste Themen, die aufgegriffen werden und zum Nachdenken anregen. „Die Klammer ist vielleicht schon die allgemein vorherrschende Endzeitstimmung“, sinniert Monobrother. „Jedenfalls kommt es mir so vor. Dieses Aufgebausche und Sensationalistische, diese Meinungsschlacht um die Deutungshoheit: Was bedeutet Normalität? Das war für mich dann ein Punkt, wo man sehr viel Komödiantisches rausziehen kann.“

Zwiespältig fällt für den Musiker die eigene Verortung in der heimischen Medienlandschaft auf. „Der österreichische Musikjournalismus ist teilweise schon recht lahm beim Entdecken neuer Sachen. Das hat wahrscheinlich ökonomische Gründe“, hält Monobrother fest. „Wenn ich alle vier Jahre ein Album raushau‘, heißt es: Ah, der Sozialkritiker schon wieder. Besonders kreativ ist das nicht. Es ist so ein Nullwort, sozialkritisch sind doch heutzutage eh alle.“ Ohnehin sei es auch sein Anspruch, eine gewisse Unterhaltsamkeit in die Musik reinzubringen. „Selbstmitleid geht gar nicht.“

Jetzt stehen aber erst mal die Shows zur neuen Platte an: Am 25. Oktober gibt es die große Releaseparty in der Arena Wien, ab Mitte November folgen Gigs in Linz, Allentsteig, Scheibbs und Graz. Und danach? „Dann finde ich mich in der Hölle der Irrelevanz wieder“, schmunzelt der Musiker. „Ich genieße das auch, zwei Jahre lang ist man jedem scheißegal. Das bedeutet, dass man sich auf sich und die Musik konzentrieren kann.“ Durch seinen Brotjob habe er die Freiheit, seine Songs ohne Hintergedanken anzugehen. „Ich lebe nicht von der Musik, also gibt es musikalisch eigentlich keine Zwänge. Wenn, dann macht man sie sich selbst, im Sinne von Ansprüchen. Natürlich will man gefallen. Es darf halt keine Sucht daraus werden. Wenn die einsetzt, muss man aufhören.“

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E – Monobrother live: 25.10. Arena Wien, 17.11. Kapu Linz, 18.11. Lichtspiel Allentsteig, 24.11. Proberaum Scheibbs und 1.12. PPC Graz; )

(APA)

Quelle: Lesen Sie Vollen Artikel