Tine Wittler: "Herr Löw mäht den Rasen"

Die nächste Autobahn ist weit weg, die nächste Boutique aber auch. Genau so hat es sich Tine Wittler, 50, gewünscht. Anfang der 2000er Jahre wurde sie mit ihrer RTL-Sendung "Einsatz in 4 Wänden" zum Star. Wenn die Einrichtungs-Queen renovierte, schauten die Deutschen hin. Heute lebt sie auf dem Dorf, zwei Stunden östlich von Hamburg. Das Thema "Wohnen" ist aber ihr Herzensthema geblieben. Darüber schreibt sie Bücher, außerdem ist sie Gast-Jurorin in der TV-Sendung "Haus des Jahres: Deutschland" (Home&Garden TV, montags, 20.15 Uhr, ab 11.12.). Im Gespräch mit GALA erzählt sie, was ihr eigenes Anwesen zum Zuhause macht – und warum Herr Löw und Herr Ballack auch dort wohnen.

Tine Wittler: Es geht um mehr als nur die Optik

GALA: Sie sind aus der Großstadt ins dörfliche Wendland gezogen. Warum?
Tine Wittler: Ich habe ja 25 Jahre in Hamburg gelebt, der schönsten Stadt der Welt übrigens, die mir immer noch viel bedeutet. Aber ich bin ein Dorfmädchen, so bin ich aufgewachsen, das geht nicht raus aus den Synapsen. Ich hatte eine Sehnsucht nach Natur, Ruhe, Frieden. Und als ich das Bedürfnis identifiziert hatte, habe ich dem sofort nachgegeben. 

Was bedeutet, schön zu wohnen? 
Als Einrichtungsexpertin habe ich manchmal das Gefühl, dass es uns zu oft um die Optik geht statt darum, wirklich auf unsere Bedürfnisse zu schauen. Oder anders gesagt: Die geilste Designer-Küche nutzt nichts, wenn wir uns jahrelang immer wieder an der gleichen Kante den Ellenbogen stoßen. Deshalb habe ich auch bei "Haus des Jahres: Deutschland" auf mehr als nur die Optik geschaut. 

Ihr Traumhaus auf dem Dorf

Sie leben in einem Bauernhaus. Wie würden Sie Ihren Einrichtungsstil beschreiben? 
Das alte Vier-Ständer-Fachwerkhaus wurde im Jahr 1838 erbaut. In meinen Räumlichkeiten findet sich etwas aus fast jeder Dekade, die das Haus bislang erlebt hat. Es sind Antiquitäten und Stücke aus den Siebzigerjahren dabei – der Zeit, in der ich geboren wurde. Viele Bücher und meine große Schallplattensammlung gehören dazu. Ich nenne das maximalen Maximalismus. Aber ohne Chaos, alles hat eine Struktur. Wenn ich Gäste habe, wandern sie oft stundenlang durch die Diele und entdecken in jeder Ecke etwas. 

Welches ist Ihr Lieblingsstück? 
Davon habe ich zwei: einen großen runden Sessel, den ich 1995 als Studentin in Hamburg-Altona gebraucht noch für 120 Mark gekauft habe. Ihn habe ich mit buntem Streifenstoff beziehen lassen und nenne ihn mein "Denkmal", weil ich dort sitze, wenn ich nachdenke oder Entscheidungen zu treffen habe.

Und das andere Stück? 
Der sogenannte Familientisch, an den passen bis zu 14 Personen. Dort nehmen meine Gäste Platz, und daran haben schon sehr viele Gespräche auch mit Menschen stattgefunden, die mal einen Schritt zurücktreten müssen aus der Öffentlichkeit oder Ruhe, Reflexion und Inspiration suchen. Ich mache ja auch Künstler-Coaching. 

Ist das auch Ihr Lieblingsplatz? 
Oder das Bett. (lacht) Ich achte darauf, Gas zu sparen. Deshalb heißt es: rennen oder frieren. Wenn alle Feuerstellen laufen, muss ich ständig fegen, Holz nachlegen und schüren. Da bin ich abends oft so ermattet vom Feuermachen, dass ich noch vor der Zeit unter meine dicke Daunendecke schlüpfe. Mein Bett ist übrigens aus Pappe. 

Herr Löw und Herr Ballack helfen ihr beim Rasenmähen

Welche Arbeit in Haus oder Garten macht Ihnen am meisten Freude? 
Seit dem letzten Frühjahr bin ich Besitzerin eines feuerroten Aufsitzmähers. Er heißt Herr Löw, weil er der Chef auf dem Platz ist. Es gibt nichts Schöneres als mit ihm über das Grundstück zu rattern, dann grinse ich wie ein Honigkuchenpferd. (lacht) Daneben existiert noch ein zweiter kleiner Mähroboter, das ist Herr Ballack. Er kümmert sich um die Feinarbeiten. 

Haben Sie auch Haustiere? 
Da ist die kleine "Smöre", genannt "Smörchen", die hier wohl das Leben der glücklichsten Katze der Welt führt. Außerdem gibt es eine Raben-Dame, die den Garten als ihr Revier ansieht. Ab und zu kommt die Hühner-Crew vom Nachbarn vorbei. Ach, und dann habe ich ja noch den Monster-Maulwurf. Der hat sogar schon versucht, durch den Dielenboden ins Haus einzubrechen.

Sie haben kürzlich in einem Podcast erzählt, dass Sie und Ihr Mann getrennt sind. 
Über meine Familie werde ich nicht weiter sprechen. Aber ich kann sagen, es haben alle genug Platz. 

Jenseits aller Einrichtungstipps. Was macht ein Zuhause aus? 
Das ist hier ist der Ort, an dem mich nichts verletzen kann. Der wunderbare alte Kasten ist meine Zuflucht. Hier lebe ich mit einer anderen Dimension von Natur: Ich bin so dicht am Wetter und an den Jahreszeiten. Daraus entsteht Demut. Ich erkenne, wie unbedeutend ich bin. Aber ich spüre auch Dankbarkeit, weil ich Teil des Ganzen sein darf.

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