Reinhold Beckmann: "Meine Eltern sind das älteste Paar auf dem Friedhof"

Sie begleiten ihn sein Leben lang, obwohl er sie nie kennenlernte: Gefühlt waren die vier Onkel von Reinhold Beckmann immer anwesend, obwohl sie im Zweiten Weltkrieg fielen. Seine Mutter Aenne erzählte oft von ihnen. Und sie überreichte ihrem Sohn Reinhold einen ganz besonderen persönlichen Schatz: die Briefe ihrer Brüder aus Kriegsjahren. Auf dieser Grundlage hat er nun ein bewegendes Buch geschrieben. Über seine be­wundernswert starke Mutter, den Umgang mit Verlusten – und die Liebe, die vieles heilen kann.

Reinhold Beckmann: „Meine Eltern sind das älteste Paar auf dem Friedhof“

GALA: Ihre Mutter wurde 98 Jahre alt. Sie durften also eine lange Zeit mit ihr verbringen.
Reinhold Beckmann: Das empfinde ich als großes Privileg. Mein Vater wurde auch sehr alt, 96 Jahre. In meinem Heimatort Twistringen in Niedersachsen sind die beiden mit Abstand das älteste Paar auf dem Friedhof. Meine Mutter hat bis zum Schluss im Haus meiner Kindheit gelebt. Es war toll, alles immer am gleichen Platz wie früher vorzufinden. Und am schönsten war es, sie all die Jahre dort zu sehen.

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Er genießt sein Leben abseits des „Medienzirkus“

Wie geht es Ihnen selbst mit dem Älterwerden?
Vor ein paar Jahren habe ich mich entschlossen, den Job vor der Kamera größtenteils ad acta zu legen und ein normales Leben abseits des Medien­zirkus zu führen. Was für ein Gewinn an Lebensqualität! Auch dass ich als Musiker mein eigenes Abendprogramm habe und auf Tour gehe. Hätte ich gewusst, wie erfüllend das ist, hätte ich früher damit begonnen. Also: Mir gefällt das Älterwerden bisher sehr gut. 

Hört sich so an, als hätten Sie gerade die beste Zeit Ihres Lebens. 

Ganz klar ja! (lacht) Ich genieße meine Unabhängigkeit. Nichts mehr müssen, nichts mehr unbedingt wollen – das ist einfach fantastisch. Ich habe mich lange in Talkshows um die Leben anderer Menschen gekümmert. Jetzt frage ich mich stattdessen, welche Themen ich für mich bearbeiten möchte. Auf der Liste stand dieses Buch ganz oben.

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Darin ist zu lesen, dass Ihre Mutter schon früh sehr stark sein musste: Sie verlor vier Brüder. Wie kann man solch ein Schicksal ertragen?
Sie hatte trotz all des Schmerzes viel Zutrauen in das Gute des Lebens. Geholfen hat ihr sicher auch ihre lebendige Erinnerung: Die vier Brüder saßen gefühlt an allen Feiertagen mit uns am Tisch. So war Weihnachten bei uns nicht nur ein fröhliches, son­dern auch ein melancholisches Fest. 

Sein Glaube an Gott „hält sich in Grenzen“

Gab es an der Tafel einen freien Platz für jeden Bruder?
Das nicht. Aber meine Mutter hat aus vier Einzelfotos ein Bild ihrer Brüder gefertigt, das ihr sehr wichtig war.
Es hing an mehreren Stellen bei uns im Haus. Außerdem hat sie uns viel von ihnen erzählt. Manchmal hat sie mit dem lieben Gott geschimpft, weil er ihr die vier so früh genommen hat. Trotzdem fühlte sie sich bei ihrem Herrgott sehr aufgehoben und war tiefgläubig.

Glauben auch Sie an Gott?
Das hält sich in Grenzen. Ich bin katho­lisch und noch in der Kirche, hadere aber mit der Institution. Abgesehen davon habe ich das Gefühl, dass eine Energie existiert, die uns umgibt und auch nach dem Tode bleibt. Meine Mutter glaubte jedenfalls fest daran, dass sie ihren Lieben wieder begegnet. 

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Für Ihr Buch haben Sie sich mit den Briefen ihrer Onkel beschäftigt – sicher ein emotionaler Prozess.
Ja. Ich habe sie so überhaupt erst kennengelernt. Franz, der Älteste, ist mir sehr nahegekommen. Es ist tragisch, dass er, der während des Krieges doch endlich sein Glück ge­funden und geheiratet hatte, dann – trotz des Angebots eines Cousins, ihn zu verstecken – zurück nach Russland ging und nicht mehr heimkehrte.

Reinhold Beckmann: Eigentlich hätte er Hans oder Franz heißen müssen

Ihre Mutter taufte Ihre älteren Brüder Alfons und Willi – so hießen zwei der Brüder Ihrer Mutter. Sie, Sohn Nummer drei, tanzen aber aus der Reihe.
Das stimmt. Konsequenterweise hätte ich Hans oder Franz heißen müssen, die zwei Namen waren noch übrig. (lacht) Meine Mutter hat sich jedoch Reinhold ausgesucht, weil sie den Namen für besonders christlich hielt. Dabei ist er germanischen Ursprungs und eher etwas kriegerisch. Sie hat sich wohl ein bisschen vergriffen.

In Ihrem Buch setzen Sie sich viel mit Verlust auseinander. Haben Sie Angst vor dem Tod?
Nein. Vielleicht, weil mir der Tod zu oft begegnet ist. Was mich grundsätzlich ein wenig ärgert ist die Endlichkeit an sich. Ich habe noch so viele Ideen, da reicht ein Leben gar nicht aus.
 

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