Meine MeinungvonPatricia Kämpf Dieser Meinungsbeitrag stellt die Sicht von Patricia Kämpf dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.
Als die Schauspielerin Meghan Markle uns unseren Harry weggenommen hat, waren wir fassungslos. Prinz Harry, einst der begehrteste Junggeselle der Welt, heiratet eine Frau, die schon geschieden ist? Das ist doch wirklich unfassbar! Und dann wollte diese Meghan nicht mal gewusst haben, dass man knicksen muss, wenn man die Queen trifft? Das glaubt die doch selbst nicht!
Die Monarchie auf der Insel darf nicht abgeschafft werden. Denn sie liefert. Geschichten über Geschichten. Glanz und Gloria beim Guinness, Gesprächsstoff für die Menschen im Pub. Und überall auf der Welt.
Hat wirklich jemand aus dem engsten Kreis gefragt, welche Hautfarbe Harrys und Meghans Baby haben wird? Bei der Kolonialvergangenheit des britischen Empire, die bis heute nicht aufgearbeitet ist? Hat der Festzug vom Buckingham Palace zur Westminster Abbey am Tag von Charles ’ Krönung wirklich 100 Millionen Pfund gekostet, finanziert aus Steuergeldern? Obwohl das Königshaus, glaubt man Recherchen des britischen „Guardian“, 1,8 Milliarden Pfund (2,05 Milliarden Euro) besitzt?
Menschen lieben Geschichten, ohne sie können wir nicht überleben. Sie wühlen auf, regen an, wir reden, interpretieren, analysieren, stigmatisieren. Oder machen unser Leben spannender, falls gerade nicht so viel passiert. Kurz: Wir sind unterhalten. Seit Jahrhunderten.
Der europäische Adel ist für viele Menschen Vorbild und Feindbild zugleich – und das schon lange: Bereits im Mittelalter hatten Adlige besondere Rechte, waren für die Kriegsführung und den Schutz der einfachen Bevölkerung zuständig. Die einfache Bevölkerung wiederum forderte daher ein adäquates Verhalten ein, zum Beispiel ein ritterliches. Wurde der Ritter dieser Forderung nicht gerecht, was sicher nicht selten vorkam, sorgte das schon vor 700 Jahren für Unmut.
Warum gibt es den Adel überhaupt? Ein Historiker klärt auf Die britischen Royals insenzieren sich selbst Diese Widersprüchlichkeit zwischen Vorbild und Feindbild fasziniert und liegt uns vielleicht immer noch im Blut. Überhaupt, Blut: Das der Adligen soll ja blau sein. Und zwar deswegen, weil sie früher nicht wie der Pöbel auf dem Feld schuften mussten. Sie residierten in ihren Palästen fernab der Sonne und waren deswegen so blass, dass ihre Adern blau durchschienen. Auch so eine Geschichte, die Menschen sich erzählen.
Die blassen Briten schaffen es heutzutage, anachronistisch und postmodern zugleich zu sein. In London kann man im St. James’ Park martialische Militärparaden bei „Trooping the Colour“ verfolgen, inklusive Kanonenschüssen und Aufmärschen der Foot Guards, die die berühmten Bärenfellmützen tragen. Auf Instagram wünscht der Prince of Wales, Thronfolger Prinz William, den Lionesses viel Glück im Finale der Fußball-WM der Frauen gegen Spanien. Seine Tochter Charlotte sitzt mit einem Fußball auf dem Schoß neben ihm. Über 15 Millionen Menschen folgen dort „The Prince and Princess of Wales“.
Die britischen Royals lieben ihre Traditionen, inszenieren sich selbst und halten so die Monarchie aufrecht. Auf Schloss Windsor feiern noch immer echte Prinzessinnen echte Traumhochzeiten, Charles lässt sich in seiner Krönungszeremonie im 21. Jahrhundert den 1,3 Kilogramm schweren Reichsapfel überreichen – und dann wohnen die auch noch in einem echten Schloss!
Aber nicht alles ist Pomp und Prunk. Nach wie vor eröffnet der Regent die neue Sitzungsperiode von House of Commons und House of Lords im britischen Parlament. Bei seinem Staatsbesuch in Deutschland im März 2023 sprach Charles III. über den Krieg in der Ukraine – eine politische Äußerung, die bei seiner Mutter, Queen Elizabeth II. , wohl undenkbar gewesen wäre. Bereits in seinem ersten Jahr als König deutet sich an, dass Charles die Monarchie langsam modernisiert.
Krönung von König Charles III.: Royals gewähren private Einblicke Skandale nahezu unbeschadet überstanden Tradition und Aufbruch sind in perfekter Balance und das ist vielleicht auch ein Grund dafür, dass die Windsors selbst ihre Skandale bislang nahezu unbeschadet überstanden haben – Prinzessin Dianas Sensationsinterview mit der BBC, Prinz Harrys Nazi-Uniform, die Scheidung von Prinzessin Margaret.
Zu Harrys Autobiografie „Reserve“ hatten viele Menschen eine Meinung, die normalerweise nichts vom Adel wissen wollen. Wie kann er das nur alles ausplaudern? Fragten die einen, war doch das Motto der Queen Zeit ihres Lebens „Never complain, never explain“ („Nie beschweren, nie erklären“). Muss er wirklich von seinem ersten Mal hinter einem Pub berichten? Fragten die anderen. Natürlich, will ja jeder wissen, wie das bei einem Prinzen abläuft. Wird sich nun was ändern im Königshaus?
Nein, natürlich wird sich nichts ändern. Ohne die Geschichten, die Inszenierungen und Skandale, die politischen Äußerungen, ohne die neuesten Fotos von Herzogin Kates Mantelkleid, das sie vor zwei Jahren schon mal getragen hat und Königin Camillas pompösem Hut beim „Royal Ascot“-Pferderennen wäre unser aller Leben doch nur halb so spannend.
Hier finden Sie das Pro-Argument:
Die britische Monarchie sollte abgeschafft werden
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