Der Keller im Kopf: Die finstere Netflix-Serie "Liebes Kind"
Aachen – Es war alles so entsetzlich, jetzt könnte alles gut werden. Oder nicht? Eine Frau irrt nachts durch den dichten endlosen Wald, irgendwo im finsteren Niemandsland nahe Aachen (NRW). Auf der kopflosen Flucht im Nachthemd läuft sie auf der Waldstraße vor ein Auto. Ihren ersten Moment in Freiheit überlebt die Mittdreißigerin nur dank Not-OP. Doch das ist bei weitem nicht ihr größtes Problem.
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Den Mann, der sie einst in ein entlegenes Privatgefängnis entführt hat, der sie zu bizarren Regeln gezwungen hat, der sie vergewaltigt hat, diesen Mann hat sie offensichtlich im Affekt erschlagen. Und sie merkt bald, dass dieser Namenlose und sein schrecklicher Keller noch immer Macht über sie haben. Die Netflix-Serie „Liebes Kind“ beginnt dort, wo andere Stoffe ihr Happy End zu bieten haben – und legt an dieser Stelle mit ihren Gemeinheiten erst los.
Der heimliche Star dieses Sechsteilers ist die 2011 geborene Kinderdarstellerin Naila Schuberth („Gefährliche Nähe“). Sie spielt in dem finsteren Sechsteiler die Rolle der zwölfjährigen Hannah, die von den Rettungskräften unverletzt am Unfallort aufgegriffen wird. Ihr kleiner Bruder hingegen ist noch im Horrorkeller zurückgeblieben.
Einst vom Entführer gezeugt, kennt Hannah nichts anderes als dessen Gefängniswelt, angereichert mit Wissen, das aus Brockhaus und Home Schooling stammt. Für beides – krude Regeln und Weltwissen – ist sie Musterschülerin. Zum Gruß hebt sie beide Handflächen. Hannah: „Die Nägel müssen sauber sein und man darf nichts in der Hand verstecken, womit man sich selbst oder einen anderen verletzen kann. Das ist die Regel.“ Das Kind, gemeinsam mit der Frau im Wald gerettet, bleibt undurchsichtig. Ist es ein Engel oder eine Botschafterin des Bösen?
Ebenfalls eindringlich ist der Auftritt von Hans Löw („Ich bin dein Mensch“) als LKA-Ermittler und früherer Nachbar einer Entführten. Ist die Frau, die in der Klinik bewusstlos auf der Intensivstation liegt, womöglich Lena aus Neuss, die 2010 verschwand? 13 Jahre ohne eine einzige heiße Spur und jetzt so ein Gottesgeschenk? Auch Lenas Eltern klammern sich an diese Hoffnung und werden bald in ein Wechselbad der Gefühle gestürzt, bei dem selbst die DNA-Tests mehr gruselige Fragen als Antworten nach sich ziehen. Die gleichnamige Vorlage für „Liebes Kind“ stammt von Romy Hausmann und war einer der erfolgreichsten Krimis des Jahres 2019, das Buch gewann auch den Crime Cologne Award. © dpa
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