Sie ist eine Ausnahmeerscheinung: Die isl\u00e4ndische S\u00e4ngerin Bj\u00f6rk sorgt seit Jahrzehnten f\u00fcr Kl\u00e4nge, die sich weit jenseits klassischer Zuschreibungen des Popuniversums bewegen. Da wundert es kaum, dass die Musikerin nicht nur ob ihrer Herkunft als feenhaftes Wesen charakterisiert wird. Wie passend solche Beschreibungen sind, stellte sich Dienstagabend in der Wiener Stadthalle heraus: Bj\u00f6rk pr\u00e4sentierte bei ihrer „Cornucopia“-Tour Kunstlieder im Pilzwald.<\/p>\n
Bevor sich der Vorhang in der mit rund 9.000 Menschen gef\u00fcllten Halle teilen sollte, gab es Wald- und Tierger\u00e4usche als Einstieg. Ein passender Beginn f\u00fcr die von etlichen Naturreferenzen durchzogene Show, die Bj\u00f6rk mit einigen Adaptionen bereits seit 2019 durch die Welt f\u00fchrt. Im Fokus stand ihr zwei Jahre zuvor erschienenes Album „Utopia“, doch auch der j\u00fcngste Output „Fossora“ von 2022 fand sich mit einigen St\u00fccken in der Setlist wieder. Ganz generell galt: Wer beim ersten \u00d6sterreichbesuch nach 25 Jahren (!) auf ein Best-of-Set hoffte, wurde entt\u00e4uscht. Wer hingegen auf aufwendige Arrangements und ebensolche Bilder hoffte, kam voll auf seine Kosten.<\/p>\n
Schon das B\u00fchnenbild evozierte mit seiner sehr organisch anmutenden Gestaltung Assoziationen zu sich \u00f6ffnenden Bl\u00fcten oder moosigen Waldlandschaften. Die 57-j\u00e4hrige S\u00e4ngerin erschien zun\u00e4chst in einem \u00fcppigen, in Rot- und Rosat\u00f6nen gehaltenen Kleid, das Gesicht von einer t\u00fcrkisen Maske umrandet, und st\u00fcrzte sich sogleich in den Opener „The Gate“. Die semitransparenten Vorh\u00e4nge, auf denen verspielte Visuals zu sehen waren, \u00f6ffneten und schlossen sich beinahe wie ein atmendes Wesen, w\u00e4hrend die zehn Begleitmusiker – darunter der Tiroler Hangspieler Manu Delago – f\u00fcr Bj\u00f6rk den wohlklingenden Teppich bereiteten, auf dem sie ihre kunstvollen Vokallinien zeichnete.<\/p>\n
So pr\u00e4zise das alles wirkte, dauerte es doch eine Weile, bis der Funke auf das durchwegs sitzende Publikum \u00fcbersprang. Zun\u00e4chst musste man sich erst zurecht finden in dieser Welt, in der nicht nur pilz\u00e4hnliche Strukturen auf die Leinw\u00e4nde gezeichnet wurden, w\u00e4hrend allen voran das Fl\u00f6tenseptett Viibra mit seinem Spiel eine ganz eigenwillige Note beif\u00fcgte. F\u00fcr das solo dargebrachte „Show Me Forgiveness“ vom Stimmenalbum „Med\u00falla“ wechselte Bj\u00f6rk erstmals in eine rechts auf der B\u00fchne positionierte Echokammer, die nicht nur mit besonderem Hall aufwartete, sondern das Setting nochmals in Richtung Science-Fiction verschob. Direkt im Anschluss gab es eine neu arrangierte, kaum zu erkennende Version des fr\u00fchen Hits „Venus as a Boy“, aber erst das wundersch\u00f6ne „Isobel“ brachte jene Dringlichkeit, die Fragilit\u00e4t und Durchschlagskraft in gleichem Ma\u00dfe zusammenf\u00fchren konnte.<\/p>\n
War man bis dahin schon verzaubert, galt es sich danach einfach weiter dem Fluss hingeben: Bei „Features Creatures“ wurden Lichtkabel zum Rhythmus geschwungen, durchaus massive Beats gab es beim Doppel „Fossora\/Atopos“ zu vernehmen. Mehrfach wechselten Bj\u00f6rk und ihre Mitspieler die Positionen, gab es von Viibra kleine Choreografien da und dort, w\u00e4hrend Delago auch mal Wasser zum Klingen brachte und eine Harfe f\u00fcr entr\u00fcckte T\u00f6ne sorgte. Wie gut alt und neu harmonieren k\u00f6nnen, zeigte sich bei den in hypnotischer Abfolge dargebotenen St\u00fccken „Pagan Poetry“, „Losss“ und „Sue Me“, bevor nach 70 kurzen Minuten das regul\u00e4re Set mit einem gehauchten „Dankesch\u00f6n Wien“ vonseiten Bj\u00f6rks beendet wurde.<\/p>\n
Danach folgte eine eindringliche Botschaft von Klimaaktivistin Greta Thunberg, die sich im Video als 16-j\u00e4hrig vorstellte. Man merkte: Dieses Konzept besteht schon l\u00e4nger. Nichtsdestotrotz wurden ihre mahnenden Worte („Wir m\u00fcssen das System selbst \u00e4ndern!“) immer wieder mit Zwischenapplaus aufgenommen. Schon fr\u00fcher im Konzert gab es bei einem instrumentalen Zwischenspiel die Forderung nach einer Welt, in der Natur und Technologie harmonieren. Wo k\u00f6nnte so eine Wunschvorstellung besser hinpassen, als bei einem Auftritt von Bj\u00f6rk, die sich im Laufe ihrer Karriere auch schon als Cyborg inszeniert hat und nun scheinbar wieder ganz im organisch anmutenden Ambiente angekommen ist?<\/p>\n
Noch einmal wurde es ernst, kam die S\u00e4ngerin im wei\u00dfen Bl\u00fctenoutfit zur\u00fcck und durfte sich nicht nur \u00fcber Standing Ovations, sondern auch einige mutige T\u00e4nzer vor der B\u00fchne freuen. Einen Sonderapplaus gab es bei der Bandvorstellung nat\u00fcrlich f\u00fcr Manu Delago, der „all the way from Austria“ komme, wie Bj\u00f6rk schmunzelnd anmerkte. Nach eineinhalb Stunden war es dann aber endg\u00fcltig vorbei, schlossen sich die Vorh\u00e4nge und fand man sich in zwitschernden Natursounds wieder. Es hat eben alles seinen nat\u00fcrlichen Kreislauf. Hoffentlich fordert jener von Bj\u00f6rk nicht wieder 25 Jahre Geduld von den heimischen Fans – selbst wenn sich das Warten mehr als gelohnt hat.<\/p>\n
(S E R V I C E – )<\/p>\n
(APA)<\/p>\n