Sisi ereilte der gewaltsame Tod in einem ihren Lieblingsl\u00e4nder. Neunmal habe die Kaiserin in der Schweiz teils wochen- oder monatelang Zuflucht gesucht, sagt Orsouw. Die naturliebende Gesundheitsfanatikerin habe in der Eidgenossenschaft oft die ersehnte Ruhe oder Trost gefunden. Der fr\u00fche Tod der ersten Tochter, der Suizid ihres Sohnes Rudolf – Sisis Leben war \u00fcberschattet von schweren Schicksalsschl\u00e4gen. Da sie sich am Tod der Tochter Sophie im Alter von erst zwei Jahren eine Mitschuld gegeben habe, habe sie die Nonnen eines Schweizer Klosters 1859 \u00fcberzeugt, sie in ihrer „Ewigen Anbetung“ zu ber\u00fccksichtigen, sagt Orsouw. Dieser Schritt wurde zum Ausgangspunkt vieler weiterer Besuche der reisefreudigen Monarchin.<\/p>\n
Die Kaiserin reiste ohne Polizeischutz<\/h2>\n
Dass sie sich eines der f\u00fcr Prominente gef\u00e4hrlichsten L\u00e4nder Europas ausgesucht hatte, war ihr laut Orsouw durchaus bewusst. Gerade die Region um den Genfer See sei ein regelrechtes Anarchisten-Nest gewesen. „Trotzdem hat sie jeden Polizeischutz abgelehnt“, sagt der Autor. Das hing auch damit zusammen, dass Sisi fast immer unter den Pseudonymen „Gr\u00e4fin von Hohenembs“ oder „Madame de Tolna“ inkognito gereist ist. Zwar wusste praktisch jeder, wer sich dahinter verbarg und die Zeitungen berichteten entsprechend oft, aber der Deckmantel machte ein offizielles Protokoll unn\u00f6tig. „Nicht nur Sisi, sondern auch die Stadtpr\u00e4sidenten waren sicher oft froh, keine Empf\u00e4nge besuchen oder geben zu m\u00fcssen“, sagt Orsouw, der j\u00fcngst ein Buch zu Sisis Aufenthalten in der Schweiz ver\u00f6ffentlicht hat.<\/p>\n
So erfuhr auch Lucheni aus der Zeitung, dass sich die Kaiserin in Genf aufhielt. Eigentlich wollte der Italiener den Prinzen von Orleans umbringen und so als „Anarchist der Tat“ – und nicht des blo\u00dfen Wortes – in die Geschichte eingehen. Der Adelige war aber schon abgereist und Sisi sogar das noch viel ber\u00fchmtere Opfer. Die Kaiserin soll manche Wahrnehmung als Omen f\u00fcr das nahe Ende gedeutet haben. „Der Flirt mit dem Tod war jedenfalls Teil ihrer Identit\u00e4t“, sagt Orsouw \u00fcber die letzten Lebensjahre der hochgebildeten wie kaprizi\u00f6sen Frau.<\/p>\n
Der 25-j\u00e4hrige Hilfsarbeiter Lucheni wurde nach der Tat sofort gefasst und sonnte sich in seiner makabren Ber\u00fchmtheit. Er wollte nach eigenen Worten unbedingt zum Tod verurteilt werden, doch die Todesstrafe war im Kanton Genf schon abgeschafft. Sein Wunsch, deshalb in einem anderen Kanton vor Gericht zu stehen, wurde abgelehnt. Die lebenslange Haft beendete Lucheni 1910 durch Suizid.<\/p>\n
Das Hirn des Attent\u00e4ters<\/h2>\n
Die Neugier, ob sich ein Anarchisten-Hirn vom Hirn gesetzestreuer Menschen unterscheidet, war 1910 gro\u00df. Eine entsprechende Untersuchung habe damals jedoch keine Auff\u00e4lligkeiten ergeben, sagt Eduard Winter von der Pathologisch-anatomischen Sammlung des Naturhistorischen Museums (NHM) in Wien. Der Kopf von Lucheni kam 1985 sehr diskret aus der Schweiz nach \u00d6sterreich.<\/p>\n
„Er wurde nie ausgestellt, aber in einem Gef\u00e4\u00df in einem Regal neben K\u00f6pfen mit Hautkrankheiten gelagert“, so Winter. Als zur Jahrtausendwende eine Zeitung dar\u00fcber berichtet habe, h\u00e4tten sogleich ein Hotelier und eine Gruppe namens „Luchenis Genossen und Genossinnen“ Interesse angemeldet. Um das Aufsehen im Keim zu ersticken, sei der Kopf einge\u00e4schert und in den Anatomiegr\u00e4bern des Wiener Zentralfriedhofs bestattet worden, sagt Winter.<\/p>\n
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