Mit ihrer Jandl-Inszenierung „humanist\u00e4\u00e4!“ hat Claudia Bauer im Vorjahr den gr\u00f6\u00dften Erfolge des Volkstheaters gelandet und dem Haus die erste Theatertreffeneinladung seit 1970 beschert. Nun bereitet sie hier ihre zweite Arbeit vor, die Dramatisierung von Ingeborg Bachmanns „Malina“. „Es ist eine riesen Herausforderung. Ich geh‘ erst mal davon aus, dass es den Leuten nicht genauso gut gefallen wird, dass sie sagen werden: So gut wie ‚humanist\u00e4\u00e4!‘ war es aber nicht.“<\/p>\n
Das k\u00f6nnte eine durchaus realistische Einsch\u00e4tzung der erfahrenen Regisseurin sein. Erstens hatte bei allem berechtigten Optimismus w\u00e4hrend der Proben letztlich auch sie \u00fcberrascht, wie sehr der Jandl-Abend, bei dem man „alles sehen konnte, was ich kann, was ich mir in den knapp 30 Jahren erarbeitet habe“, „durch die Decke gegangen ist“, zweitens ist „Malina“ doch deutlich schwerere Kost. Oder, wie es Claudia Bauer im Gespr\u00e4ch mit der APA ausdr\u00fcckt: „Zwischen Jandl und Bachmann bl\u00fcht ein sehr langes Blumenbeet. Es ist ein komplett anderer Stoff mit einer ganz anderen Tiefe und Schwere.“<\/p>\n
Dass das Wiener Publikum ihr beim Umgraben dieses Beetes sehr genau auf die Finger schauen wird, hat sie mittlerweile realisiert: „‚Malina‘ ist in \u00d6sterreich so etwas wie der ‚Zauberberg‘ in Deutschland. Den Roman kennt jeder. Den hier in Wien zu machen, ist ein ganz anderes Statement als in M\u00fcnchen oder Berlin. Aber das ist auch das Reizvolle daran.“<\/p>\n
Schon bei Jandl h\u00e4tte mancher angezweifelt, dass sie als „Piefke“ das hinkriegen werde, erz\u00e4hlt die 1966 in Landshut Geborene schmunzelnd. Nun hat sie neben der \u00f6sterreichischen Herkunft weitere Parallelen zwischen Jandl und Bachmann entdeckt, etwa die Auseinandersetzung mit der eigenen Autoren- und K\u00fcnstlerexistenz oder autobiografische Bez\u00fcge in den Werk. Ingeborg Bachmann hat ihren 1971 erschienenen Roman ja als „geistige, imagin\u00e4re Autobiografie“ bezeichnet, doch ist „Malina“ nicht einfach zu dechiffrieren und darf getrost zwar als sehr bekannt, aber wenig gelesen gelten. In der \u00d6ffentlichkeit hat man sich daher auf den Begriff „Dreiecksgeschichte“ geeinigt, als Chiffre f\u00fcr die Beziehung zwischen der namenlosen Ich-Erz\u00e4hlerin, ihrem Geliebten, dem Lebemann Ivan, und ihrem Mitbewohner, dem Milit\u00e4rhistoriker Malina.<\/p>\n
In der B\u00fchnenfassung von Claudia Bauer und Matthias Seier werde der Plot des „kryptischen, labyrinthischen, abgr\u00fcndigen Romans“ besonders deutlich herausgearbeitet, verspricht die Regisseurin. „Ich habe mich ja lange dagegen gewehrt, weil ich es ein wenig uncool fand, aber eigentlich bin ich eine Geschichtenerz\u00e4hlerin“, lacht Bauer. „Auch in dieser Seelenreise gibt es einen Miniplot, an dem die ganzen Bachmann’schen Denkblasen aufgeh\u00e4ngt werden. Eigentlich ist Ivan die Story. Er rettet die Ich-Figur aus dem ewigen Kreisen um sich selbst. Malina ist der Doppelg\u00e4nger, das m\u00e4nnliche Gegen\u00fcber, der imagin\u00e4re Mitbewohner. Aber das Einzige, was sie erlebt, ist mit Ivan. Es ist wie Faust und Gretchen. Sie ist eine Faustin, die von einem bodenst\u00e4ndigen, schlichten Greterich aus ihrer Studierstube rausgezerrt wird.“<\/p>\n
Bauers Besch\u00e4ftigung mit Ernst Jandl war bei aller Ernsthaftigkeit auch sehr witzig. Hat Komik auch bei Ingeborg Bachmann Platz? „Absolut! Die beste Komik bl\u00fcht ja am Abgrund. Ich halte abgr\u00fcndigen, schwarzen Humor f\u00fcr den besten. Ich finde auch Elfriede Jelinek wahnsinnig komisch. Jelinek w\u00e4re ohne Bachmann nicht denkbar. Ich finde ‚Malina‘ teilweise sehr komisch. Aber nat\u00fcrlich \u00fcberwiegt die Dunkelheit.“<\/p>\n
D\u00fcster gezeichnet wurde in der Vergangenheit auch regelm\u00e4\u00dfig die Situation des Volkstheaters. Claudia Bauer versteht das \u00fcberhaupt nicht. „Es ist ein wundersch\u00f6nes Haus mit einer angenehmen Gr\u00f6\u00dfe, kein Schlachtschiff, sondern so wendig, dass man vieles mit ihm machen kann. Ich hab hier nie diesen Krisenmodus gesp\u00fcrt, der dem Haus angedichtet wird, sondern stets nur eine beschwingte, offene Arbeitsatmosph\u00e4re erlebt.“ Und Wien, das sie fr\u00fcher nur von Kurzaufenthalten gekannt habe, sei f\u00fcr sie \u00fcberhaupt „die sch\u00f6nste Stadt Europas“, schw\u00e4rmt sie.<\/p>\n
Das klingt ganz danach, als sei in der f\u00fcr den Herbst angek\u00fcndigten Ausschreibung der Volkstheater-Direktion mit ihrer Bewerbung zu rechnen? Die sonst so erfrischend direkte Theaterfrau wird mit einem Mal zur\u00fcckhaltend und nachdenklich. Einerseits empfinde sie das Volkstheater als \u00fcberaus reizvolle Aufgabe und habe ihre erste Theaterleitung in Jena (1999-2004) am Anfang ihrer Karriere nicht so hingekriegt, wie sie es heute wohl k\u00f6nnte. Anderseits genie\u00dfe sie die Freiheit ihres nomadischen Theaterlebens in vollen Z\u00fcgen.<\/p>\n
Ihren Wohnsitz hat Claudia Bauer derzeit in Berlin. Auf der Insel R\u00fcgen hat sie sich k\u00fcrzlich ein Haus gekauft. Die Luftlinie zwischen R\u00fcgen und Wien betr\u00e4gt 720 Kilometer, die k\u00fcrzeste Fahrstrecke 972 Kilometer. Zum Pendeln wohl zu weit. Also hei\u00dft es Priorit\u00e4ten zu setzen. Wie werden die aussehen? Diese Frage quittiert Claudia Bauer mit einem etwas gequ\u00e4lten L\u00e4cheln: „Ich bin wie Ingeborg Bachmann eine ganz verfummelte K\u00fcnstlerin. So wie Bachmann mit dem Heute nicht umgehen konnte, geht es mir mit der Zukunft: Ich habe keinen blassen Schimmer!“<\/p>\n
(Das Gespr\u00e4ch f\u00fchrte Wolfgang Huber-Lang\/APA)<\/p>\n
(S E R V I C E – „Malina“ von Ingeborg Bachmann, B\u00fchnenfassung: Claudia Bauer und Matthias Seier, Inszenierung: Claudia Bauer, B\u00fchne: Patricia Talacko, Kost\u00fcm: Andreas Auerbach, Gesangs-Kompositionen und Musikalische Leitung: Peer Baierlein, mit Evi Kehrstephan, Bettina Lieder, Nick Romeo Reimann, Uwe Rohbeck, Christoph Sch\u00fcchner, Samouil Stoyanov, Friederike Tiefenbacher. Gesang: Johanna Zachhuber, Livemusik: Igor Gross, Livevideo: Ulrike Schild, Volkstheater Wien, Premiere: 8. September, 19.30 Uhr. N\u00e4chste Vorstellungen: 16., 27.9., Karten: 01 \/ 52 111-400, . Das Gartenbaukino zeigt am 10. September und 8. Oktober Werner Schroeters „Malina“-Verfilmung, die auch am 15. September und 9. Oktober im Rahmen der Filmarchiv-Retrospektive im Metro-Kinokulturhaus zu sehen. Am Todestag am 17. Oktober veranstaltet die Autorin Barbara Kaufmann um 20 Uhr in der Roten Bar mit dem Volkstheater-Ensemble die Leseperformance „Die Verh\u00f6re der Ingeborg Bachmann“.)<\/p>\n
(APA)<\/p>\n